Erklärt Quantenphysik alles?
Eine Einordnung meiner persönlichen Interpretation der Wissenschaft.
Tatsächlich denke ich, seitdem ich ungefähr 19 oder 20 war, und bin in den letzten Jahren immer überzeugter davon geworden: Die Art von Spiritualität, die wir meinen (und wenn du das hier liest, meinen wir ziemlich sicher dieselbe Art), braucht keine wissenschaftlichen Beweise, und kann in ihrer Totalität gar nicht “bewiesen” werden.
Wissenschaft ist durch ihre Dualität in “wahr” und “falsch” maximal unelegant, und ruft ja bekanntlich am Ende immer nur Paradoxien hervor, je weiter man an ihre Grundsubstanz geht (Gödelsche Unvollständigkeitssätze, unvollständiges Standardmodell, P-NP-Problem, Russell’s Paradox usw.). Wissenschaft ist genial und absolut essentiell für “alltägliche” Dinge, eben um Konsens über die Wirklichkeit zu schaffen, aber ist nicht geeignet als “die eine” perfekte Denkweise, die die objektive und die subjektive Wirklichkeit vereinigen würde.
Quantenphysik ist nett, aber Formeln sind für die allermeisten Menschen nicht verständlich. Ich selbst bin ein absoluter Formel-Nerd, schaue gerne Arvin Ash, Mathologer, Numberphile usw. zum Einschlafen oder aus Interesse, aber bin mir ja bewusst, dass ich damit in der absoluten Minderheit bin. Diese “Erkenntnisse”, die wir suchen, sind keine Übersetzung von einem Untersystem mit der “absoluten Wahrheit” in die Sprachen der ganzen anderen Untersysteme, sondern es ist der Akt des Übersetzens von allen in alle andere Sprachen, egal ob menschliche, symbolische oder andersartige Sprachen. Der Gedanke, dass “die eine Wahrheit” sich in einem Buch oder einem anderen Schriftstück verstecken würde, ist lange veraltet. “Die Wahrheit” ist eigentlich die Totalität aller Wahrheiten, und kann folglich natürlich auch Widersprüche enthalten, da das Menschsein eben chaotisch ist und sich nicht in absolute Dualitäten klassifizieren lässt.
Was Änderungen in der Welt hervorruft, ist das effektive Kommunizieren von Ideen, nicht das Verstecken hinter verklausulierten Formeln oder Wissenschaftssprache. Das heißt, diese Kommunikation muss so verständlich erfolgen wie möglich, und jeglicher Kommunikationsakt sollte so gut wie möglich situationsabhängig auf die jeweils Zuhörenden/Lesenden zugeschnitten sein. Wenn man nicht verstanden wird, ist das nicht das Problem des Zuhörers, sondern das Problem des Kommunizierenden. Damit ist Kommunikation so vielfältig wie die Menschheit selbst.
Das ist ja gerade das Ding mit dieser “Einheit”, “Unity Consciousness” oder wie auch immer man es nennen will: es ist nicht nur eine Sache, sondern es ist die Einheit aller Sachen. Quantenphysik ist definitiv ein (und auf jeden Fall faszinierender!) Teil dieser Einheit. Aber gleichzeitig eben auch alles andere, was es gibt, jede andere Fachrichtung, Praxis, Denkweise, und alles dazwischen.
Ich war auch eine lange Zeit wissenschaftsgläubig, im Sinne von “Wissenschaft kann alles erklären”, aber heute sehe ich gar nicht mehr den Sinn darin, warum man alles wissenschaftlich erfassen wollen würde und bezweifle auch, dass das überhaupt immer sinnvoll möglich ist, gerade wenn es um die Sinnsuche und die Sehnsucht nach Bedeutsamkeit im Leben geht. Ich glaube, manche Menschen denken bzw. träumen davon, dass durch diesen “ultimativen Beweis” (d.h. diese Art “Theory of Everything”) eine finale, auf ewig bestehende Konsonanz im Denken entstehen würde, eine perfekte Symmetrie oder anderweitige Harmonie, wo basierend auf einem “absoluten”, nicht zu widerlegenden Fakt der Logik schlussendlich jegliches Übel auf dieser Welt ausgemerzt werden könnte.
Doch “das Eine” in einer aus wie auch immer gearteten Symbolen bestehenden Sprache ausdrücken zu wollen (egal ob Mathematik oder Deutsch oder Englisch oder C++), wäre der Versuch, es wieder in Information, in Nullen und Einsen und damit in das Korsett der Dualität zwängen zu wollen. So ein Versuch ist also schon rein logisch gesehen von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Ich denke, “alles mit Wissenschaft erklären zu wollen” (Szientismus) ist eine unverantwortliche Vereinfachung des Zustands der Welt. Das würde ja bedeuten, dass die primären Motivatoren von Menschen in ihrem Handeln (also in der typischen Gesellschaft primär Geld, Sex und Traumata) plötzlich “ausgeschaltet” werden könnten.
Ich glaube, zuerst ist es unsere Verantwortlichkeit, uns nicht in realitätsferne Frameworks wie Quantenphysik zu stürzen und damit versuchen, die Welt zu erklären, sondern reale Probleme (bspw. Bürokratie) offen anzusprechen und mutig gemeinsam Lösungen zu bauen, auch wenn diese ziemlich revolutionär sind. Die Welt verbessert sich nicht von selbst.
Menschsein hat ja zwei Hälften: die subjektive und die objektive Erfahrung. Die objektive Erfahrung wird durch Wissenschaft versucht, für alle greifbar und vergleichbar gemacht zu werden, und das ist auch sehr sinnvoll. Die subjektive Erfahrung ist hingegen eben subjektiv, also die eigene Lebensgeschichte, die nur ein einziges Mal so gelebt werden wird, das epische Buch, das vom Wandeln dieses “Ichs” auf diesem Gesteinsball im Weltall zeugt, und das mit dem eigenen letzten Atemzug auf dem Sterbebett zugeklappt wird. Sinn der subjektiven Erfahrung ist eben nicht Falsifizierbarkeit, Reproduzierbarkeit oder Ausdrückbarkeit in SI-Einheiten wie bei typischen wissenschaftlichen Theorien, sondern Blut, Schweiß, Rausch, Liebe, Schmerz, Inspiration, und alles dazwischen.
Und so grundsätzlich: Ich glaube, wir sind da schon Pioniere. Noch nie zuvor hat sich die Menschheit so ein dickes Polster aus fortgeschrittener Zivilisation aufgebaut, mit so unendlich vielen mit einem Mausklick verfügbaren Annehmlichkeiten, sodass so viele Menschen über all diese mega-abstrakten Themen nachdenken können. Und ich denke, das ist großartig. Grundlegend neue Dinge sagen und entdecken, und Systeme so umschmeißen, dass radikale Verbesserungen der Lebenszustände erreicht werden können, ist eben weiterhin möglich. Das war bei den antiken Kulturen der Fall, in der Renaissance, vor 100 Jahren, überall dazwischen, und eben auch heute.
Träum groß. Die Systeme, von denen du umgeben bist, sind bei weitem nicht so rigide, wie sie es dich glauben lassen wollen. Alles bewegt sich nur so langsam und wirkt so unendlich erstickend, weil es immer noch Bürokratie gibt, die von Menschen gemacht wird.
„Automatisiert die Bürokratie – befreit den Menschen!“

