Die Sehnsucht nach Diktatur
Diktatur ist vergleichbar mit dem Wort “Diktat”: Man bekommt gesagt, was man zu tun hat. In der Schule mag das sein, dass der Lehrer einem einen Strang an Worten aufsagt, und man muss diese Worte gemäß definierter Regeln zu Papier bringen. Als politisches Element kann sich die Diktatur dagegen auch auf alle anderen Lebensbereiche erstrecken.
Der Reiz der Diktatur ist ein zutiefst menschlicher, und er ist vergleichbar mit dem Reiz der Religionen: die Wahrheit. Was der Führer und was der Prediger sagen, unterscheidet sich im Kern nur wenig. Beide geben den Menschen, die ihnen zuhören und folgen, die Gewissheit: “jemand anders denkt für mich und dadurch fühle ich mich sicher”.
In sonstigem Diskurs wird oft auf die Gefahr dessen hingewiesen, also was für Risiken es hat, wenn man andere für sich denken lässt. Grundsätzlich erkenne ich diese Gefahren durchaus an, aber ich bin auch der Meinung, dass das Potenzial, das Folgsamkeit beim Beruhigen des menschlichen Geistes haben kann, niemals vernachlässigt werden darf.
Menschen verdienen es, Weisungen zu erhalten, die auch für sie selbst vorteilhaft sind. Traditionell wurzelt ein Befehl oder eine Weisung immer in dem Sachverhalt, dass jemand mit mehr Macht eine Aufgabe an jemanden mit weniger Macht abgibt. Nur in der Praxis bedeutet dies oft, dass dieser Mensch mit weniger Macht deshalb auch weniger Würde, weniger Motivation und weniger Freude erfährt. Dabei ist es irrelevant, ob dieser Befehl oder diese Weisung militärischen, geschäftlichen oder zwischenmenschlichen Ursprung ist.
Doch ich glaube, das muss nicht sein.
Ich wünsche mir oft, nicht immer selbst denken zu müssen, sondern jemand Vertrautes zu haben, der mir überzeugend klar machen kann: “Das ist der richtige nächste Schritt, also mach es so”.
Vermutlich ist das unrealistisch, und bei diesen ganzen welt- und geldpolitischen Themen, mit denen mich ansonsten beschäftige, finde ich sowieso kaum jemanden, den oder die ich als Autorität auf diesem Bereich akzeptieren würde. Vielleicht liegt das auch in der Natur der Sache.
Aber trotzdem freue ich mich auf den Moment, wenn ich mein geschriebenes und gesprochenes Lebenswerk an den Nagel hängen und einfach nur noch sein kann. Das ganze große Planen, Strukturieren und Koordinieren sollen dann andere übernehmen, ich will nur noch Tun.