Der Tag, an dem das Geld sich in Luft auflöste
Der Tag, den ich meine, ist die Abschaffung des Bretton Woods-Systems, was insbesondere die Abschaffung des Goldstandards bedeutete: Der US-Dollar war nun nicht mehr mit Gold hinterlegt. Seit dem Ende des Goldstandards ist Geld nicht mehr durch physische Sicherheiten wie Gold oder Silber gedeckt. Stattdessen leben wir heute in einem Fiat-Währungssystem, in dem Geld durch staatliche Autorität und das Vertrauen der Öffentlichkeit gestützt wird.
Mit anderen Worten: Geld wurde zum Glaubenssystem erhoben.
Als das Geld tatsächlich, also sowohl de facto als auch de jure, nicht mehr an physisches Gut geknüpft war, hat es die Bodenhaftung verloren. Es kann schließlich bis ins Unendliche gedruckt werden, was ja auch getan wird. Solange geldliches und menschliches Wachstum noch separat sind, ist das Gelddrucken eine Notwendigkeit.
Man könnte denken, das ganze Gelddrucken würde das Vertrauen in dieses System erschüttern. Doch das tut es nicht, da Menschen in ihren Routinen gefangen sind. Diese Routinen (bspw. früh aufstehen, Arbeitskleidung anziehen, das Konzept "Feierabend" usw.) dienen der Arbeit und sind wie Rituale zur Huldigung des Geldes.
Das sich aufgelöste Geld verspricht und ermöglicht endloses Wachstum. Das berauschende Verfolgen von Ziffern auf Bildschirmen und der Genuss der damit einhergehenden Lebensvorteile ist für einige ein gewohntes Gefühl, für andere der erstrebenswerteste Zustand der Welt. Es ist ähnlich wie in der Kirche: Entweder du bist in der Hölle oder im Himmel. Entweder du hast das Vermögen dazu, deinen Kontostand unermesslich wachsen zu lassen, oder eben nicht. Das soll nicht sagen, dass der Besitz von mehr Geld objektiv "gut" oder "schlecht" wäre. Stattdessen zeigt sich dadurch die Parallelität zum Glaubenssystem: Manche profitieren davon, manchen bringt es einfach nur Angst.
Hilft es nun, gegen das Geld an sich zu sein? Nein. Das Geld selbst ist nicht das Problem. Das Problem ist, das Geld durch Gelddrucken auf makro- und Zinsen auf mikroökonomischer Ebene unkontrolliert wächst wie ein Tumor. Das Geld ist realitätsfern, es ist keine Repräsentation mehr von irgendwas, es ist wirklich nur noch ein Stück Papier. Im derzeitigen System ist es klar, dass früher oder später die Menschen das Vertrauen in dieses System verlieren, einfach weil jedem die Realitätsferne von Geld früher oder später bewusst und dann unheimlich wird.
Wie lösen wir das nun? Geld muss wieder gedeckt sein. Wenn ich irgendwo einen Euro ausgebe, will ich sicher sein, dass dieser Euro auch ein zugehöriges "Collateral", einen Gegenwert in der realen Welt besitzt, in Form eines Wertgegenstands. Nicht so einen Quatsch wie Gold, das vielleicht hübsch ist, aber mit dem man, bis auf Goldflocken in Cocktails, herzlich wenig kochen kann. Und der Wert von Bargeld kann natürlich nur mit dem Wert des Metalls oder des Papiers bemessen werden.
Wertgegenstände können alles sein, einziges Kriterium ist, dass man sie anfassen kann. Ganze Grundstücke oder Häuser, eine Uhr, der Inhalt eines Lagers mit vielen Tonnen Weizen oder sogar ein ganz einfaches Buch oder einfach nur ein Kugelschreiber. So ein Gegenstand braucht also gar nicht besonders viel wert zu sein, aber sowohl sein Wert als auch sein jährlicher prozentualer Wertverfall sollte von einer ausreichenden Anzahl an Menschen (d.h. sowohl dem, der Gewalt über diesen Gegenstand ausübt, als auch den Leuten in seiner Umgebung) stabil in der derzeit verwendeten lokalen Währung schätzbar sein.
Im Kern geht es darum, Währung erlebbar zu machen. Zu wissen, dass mein Geld nicht nur im Äther herumexistiert, sondern dass es transparent dargestellt mit echten Vermögenswerten gedeckt ist, die von Nutzerinnen und Nutzern als Collateral beigesteuert werden. Alle Collaterals und ihre Wertbemessungen sind dabei öffentlich zugänglich. Die Wertbemessung kann dabei stets schwanken und ergibt sich einfach als Durchschnitt aller abgegebenen Wertschätzungen.
Das Beisteuern eines “Collaterals” ist dabei die Konsequenz der Erkenntnis, dass dieses beschriebene “Sich auflösen” des Geldes ein Fehler war. Aber anstatt zu etwas Kindlichem wie dem Goldstandard zurückzukommen, müssen die real greifbaren Dinge und Materialien unseres alltäglichen Lebens wieder zur Repräsentation des Geldwerts auf dem eigenen Konto dienen, als erster Schritt in Richtung Vereinigung von Geld und Grund.
Formell handelt es sich hierbei um eine Art “Sicherstellungsvertrag”, und dieser Wertgegenstand wird sozusagen als “Kreditsicherheit” gesehen, wobei sich allerdings nicht eine Person von einer anderen Geld leiht, sondern sich eine Person im kollektiven Bewusstsein das Vertrauen erarbeitet (repräsentiert durch ein Beweisvideo und Bestätigungen von anderen Personen), um zum gesamten Vertrauen in das gesamte System von “Reales Geld” beizutragen. Entscheidender Teil dieses Vertrages ist auch, dass Alice sich verpflichtet, in der App darüber zu informieren, wenn sich signifikante Änderungen am Wert des Wertgegenstandes ereignen oder der Gegenstand zerstört wird. Zudem muss sie regelmäßig (bspw. jährlich) durch ein weiteres Video bestätigen, dass sie weiterhin Kontrolle über diesen Gegenstand ausübt. Bei Wertgegenständen, die durch Freunde oder andere Menschen zugänglich sind, können auch diese Menschen freiwillig die Fortexistenz von Alices Wertgegenstand bestätigen, wodurch ihr diese Arbeit abgenommen wird.
Die interne Repräsentation von quantitativem Wert erfolgt einfach mittels spezieller “Tokens”, deren Wert stets in der Einheit XDR = Special Drawing Rights ausgedrückt wird, um eine einfachere Vergleichbarkeit über Währungen hinweg zu gewährleisten. Buchhalterisch und steuerlich wird das Konto für das “Reales Geld”-System also ähnlich wie ein Fremdwährungskonto angesehen.
Praktisch läuft das in etwa so ab:
Alice hört vom “Reales Geld”-Netzwerk und lädt sich die App herunter.
Sie findet einen Wertgegenstand, den sie besitzt (d.h. über den sie faktisch Kontrolle ausübt) und dessen Wert in ihrer lokalen Währung sie schätzen kann. Diese Schätzung sollte so nah wie möglich am echten Marktwert sein und ist bei Neuware einfach gleich dem Marktwert. Zudem schätzt sie, wie viel Wertverlust pro Jahr in % zu erwarten ist.
Sie veröffentlicht innerhalb der App ein Video, in dem sie den Wertgegenstand zeigt und ihre Begründung für den gewählten Wert angibt. Zudem gibt sie an, wo und von wem der Wertgegenstand sicher verwahrt wird, sowie welche Maßnahmen sie gegen Wertverlust ergriffen hat.
Sobald dieses Video von einer ausreichenden Anzahl Menschen reviewt sowie Alices physische Unterschrift auf dem “Sicherstellungsvertrag mit sich selbst” verifiziert wurde, wird der Wertgegenstand in ihrem Konto verbucht. Dies ist ihr Ticket in das Ökosystem von “Reales Geld”, das die synergetische Verbindung von Geld und Erde in jeder seiner Fasern lebt und atmet.
Schließlich kann sie so ihren eigenen Wertgegenstand “beleihen”, also sich die entsprechende Menge an bspw. Euro als Kredit an sich selbst auszahlen lassen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um “echte” Euros, sondern um eine
Das Netzwerk wird dabei völlig dezentral betrieben, wobei eine Produktlinie auch ein Gerät sein wird, mit dem jeder freiwillig und mit null Konfiguration Knotenpunkte zum zugehörigen Blockchain-Netzwerk beisteuern kann, ähnlich einfach aufsetzbar wie ein moderner WLAN-Router. “Reales Geld” hat stets den Anspruch, architekturell vollständig durchdacht und ehrlich Peer-to-Peer organisiert sein, ohne zentrale Autorität.
Als erstes Projekt soll das Community-Konto entwickelt werden, also ein Konto für Communitys und ihre Mitglieder, speziell abgestimmt auf die Bedürfnisse von realen Gemeinschaften. Eines, das durch die vollständige, stets perfekt akkurate Integration von Steuervorschriften die Buchhaltung praktisch unsichtbar macht. Eines, das auch als Spedition agiert und dadurch den Transport von Waren, d.h. den Transfer von Wertgegenständen, genau so flüssig wie den Transfer von Geld macht.
Ein Schlüsselfeature ist zudem die lückenlose Integration von “partizipativem Budgetieren”, also der Möglichkeit, innerhalb einer bestimmten Gruppe gleichverteilt mit Geld abzustimmen, das zuvor über einen separaten Prozess von den Mitgliedern beigesteuert wurde.
Entscheidend ist, dass dieses System keinen Umsatz im herkömmlichen Sinne generiert, da es in keiner Weise mit dem herkömmlichen Geldsystem interagiert. Die einzige gedankliche Verbindung sind die freiwilligen Wertschätzungen und der Fakt, dass die sich ergebende “Währung” auch zum Tausch gegen Waren gedacht ist, wobei alle gehandelten Waren zunächst als verifizierte Wertgegenstände innerhalb des Systems hinterlegt sein müssen.
Das heißt auch, dass zu Beginn das von sich selbst geliehene Geld “wertlos” ist, da noch nichts damit gekauft werden kann. Doch durch das Modell der Wertgegenstände kann dies durchaus schnell möglich werden. Ein Bäcker kann ein Brötchen als “Wertgegenstand” innerhalb der App registrieren und kann dann XDR von Kunden einnehmen. Er injiziert so durch geleistete Arbeit neuen Wert in das System.
Von dem Geld, das durch den Launch von dieser “Coin” namens $HENOPHILIA eingenommen wird (benannt nach Henophilia, dem Namen eines Kunstprojekts von Julian Nalenz, dem Initiator dieses Projekts), werden ausschließlich Menschen bezahlt werden, nämlich jene, die im Stil einer Crew (gemäß Microsolidarity) die Entwicklung dieses Systems vorantreiben werden.